Seit der ersten Fassung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes im Jahre 2000 gibt es Zoff um die Frage “Wer darf PV-Anlagen installieren, und ans Netz anschließen“? Netzbetreiber argumentieren mit der NAV (Niederspannungsanschlussverordnung), sowie diversen VDE Anwendungsregeln und Richtlinien (u.a. AR 4105, sowie Rn 137 bis 144). Zitat NAV §13 (2) “Arbeiten außer durch den Netzbetreiber dürfen nur durch ein in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers eingetragenes Installationsunternehmen durchgeführt werden”.
Das Amtsgerichts Passau hat in seinem Urteil 17 C 388/12 nun Klartext gesprochen. Fazit: Die diskriminierende Praxis der Netzbetreiber ist rechtswidrig, und steht im Widerspruch zum EEG §10 (1). Das Urteil wurde gestützt von einer ausführlichen Stellungnahme der Clearingstelle EEG.
Hier findest du alle Details zum Thema:
Die Sachlage
- Herr Z. betreibt ein eingetragenes Unternehmen für Fotovoltaik-Anlagen. Er konzipiert, verkauft, und errichtet PV-Anlagen für Kunden.
- Herr Z. besitzt mehrere Fachabschlüsse im Fach Elektrotechnik – darunter ein Ingenieursabschluss Dipl. Ing. FH der Elektrotechnik, sowie fundierte Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Elektrotechnik
- Lt. Auffassung des Netzbetreibers dürfen Arbeiten an der elektrischen Anlage nur “nur durch ein in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers eingetragenes Installationsunternehmen durchgeführt werden (Zitat NAV §13/2)“.
- Dem jedoch widersprach Herr Z. Er war der Auffassung, dass er aufgrund seiner Fachkenntnis die Anlage sehr wohl ans Netz anschließen, und in Betrieb nehmen dürfe.
- In der Folge kam es zur Klage durch den Netzbetreiber vor dem Amtsgericht Passau.
- Der Netzbetreiber wollte Herrn Z. daran hindern, EEG-Anlagen ans öffentliche Versorgungsnetz anzuschließen. Aus diesem Grund verfasste er eine 7seitige Klageschrift, welche am Amtsgericht Passau zur Verhandlung kam.
- Kern der Klage ist das in Zweifelziehen der Fachkompetenz des Herrn Z. im Sinne des EEG §7 / 1 (Stand EEG 2009).
- Der Wortlaut der fraglichen EEG-Textpassage lautet: “Anlagenbetreiber dürfen den Anschluss der Anlagen von dem Netzbetreiber oder einer fachkundigen dritten Person vornehmen lassen” .
Hinweis: Im aktuellen EEG 2023 wurde die Textpassage aus dem ehemaligen §7 ohne Änderungen nach §10 (1) übernommen.
- neben dem Hauptargument der fehlenden Fachkundigkeit, wurden weitere sekundäre Argumente vorgetragen – wie z.B. die konkrete technische Ausführung der bemängelten Kundenanlage. Diese Sekundär-Argumente spielten jedoch bei der späteren Urteilsfindung keine Rolle – deshalb wird hier nicht weiter darauf eingegangen.
Die Stellungnahme der Clearingstelle
- Die Clearingstelle EEG klärt u.a. Anwendungsfragen und Konflikte im Bereich des EEG.
- Die Clearingstelle wurde zur Klarstellung des Sachverhalts durch das Amtsgericht Passau zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Hierzu wurde der Clearingstelle eine Kopie der Gerichtsakten zur Verfügung gestellt.
- Die Clearingstelle verfasste daraufhin auf 10 Seiten eine ausführliche Stellungnahme zur Frage: “ist Herr Z. eine fachkundige dritte Person im Sinne des EEG 2009 §7/1”.
- Kern der Stellungnahme: Die Clearingstelle führte in ihrer Stellungnahme aus, dass Herr Z. sehr wohl die erforderliche Fachkunde für Anschluss und Inbetriebnahme von EEG-Anlagen besitzt – und zwar auch ohne einen verpflichtenden Eintrag ins Installateurverzeichnis des Netzbetreibers.
- Das wird auf 10 Seiten durch die Clearingstelle ausführlich begründet. Als wesentlich hierbei wurden folgende Fakten angesehen:
- Die Ausbildung des Herrn Z.: Er besitzt signifikante Fachabschlüsse im Bereich Elektrotechnik – u.a. den Ingenieursabschluss Dipl. Ing. FH der Elektrotechnik
- auch wurde die Fachkompetenz des Herrn Z. durch einen vom Gericht bestellten Sachkundigen festgestellt.
- die Clearingstelle übt deutliche Kritik an der unzulässigen Verknüpfung von EEG und NAV durch den Netzbetreiber. Die Einschränkung der NAV §13 (Installateurverzeichnis) widerspricht den Festlegungen im EEG 2009 §7 (fachkundiger Dritter).
- Des weiteren stellt die Clearingstelle klar, dass das EEG als führendes Gesetz Priorität vor der NAV, sowie weiteren verbandsinternen Regelungen besitzt. Zitat: “Der Fachkundenachweis ist indes keine notwendige Voraussetzung für die Fachkunde im Sinne des EEG 2009; die verbandsinternen Regelungen des Bundes-Installateur-Ausschusses, bzw. der Lände-Installateurausschüsse werden vielmehr durch die gesetzlichen Regelungen des EEG verdrängt“.
- darüber hinaus wird bemängelt, dass die Praxis der Netzbetreiber mit pauschalem Verweis auf die NAV diskriminierenden Charakter besitzt. Fachkundige Dritte werden durch diese rechtswidrige Praxis an der Ausübung ihrer im EEG festgelegten Rechte behindert.
- Auch dem Verweis des Netzbetreibers auf die Vorgaben der Richtlinien 137 bis 144 widersprach die Clearingstelle. Die Richtlinien Rn. 137 bis 144 regeln lt. Auffassung des Netzbetreibers die Abschlüsse und Qualifikationen von Berufsgruppen für die Aufnahme in das Installateurverzeichnis (siehe NAV §13). Es wird klargestellt: die genannten Regelungen zu befähigten Berufsgruppen sind zwar “hinreichend, nicht aber notwendig, um die Fachkunde zu bejahen”. Oder anders ausgedrückt: Es ist zwar hilfreich, einer der in den Rn. 137 – 144 genannten Berufsgruppe anzugehören – die fachliche Befähigung für Anschluss und Inbetriebnahme einer EEG-Anlage kann aber auch anders begründet werden. Z.B. wie im Beispiel des Herrn Z. durch eine in einem Ingenieurstudium erworbene Fachkompetenz.
Das Urteil
- Das Amtsgericht Passau folgte der Argumentation der Clearingstelle EEG, und wies im Urteil 17 C 388/12 die Klage ab.
- In der detaillierten Begründung des Urteils wurde klargestellt: Herr Z. ist “eine fachkundige dritte Person” im Sinne des EEG, welche berechtigt ist, den Anschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (EEG-Anlagen) vorzunehmen.
- Das Gericht wies sämtliche Argumente des Netzbetreibers als nichtzutreffend zurück. Darüber hinaus rügte das Gericht die fintenreiche Verschleierungs- und Verzögerungstaktik des Klägers als “Prozessverschleppung”.
- Die Rechtsauffassung des Herrn Z. wurde durch das Gericht in allen wesentlichen Punkten bestätigt.
Welche Bedeutung hat das Urteil 17 C 388/12 in der Praxis?
Das Urteil ist nach Auffassung von Solarbringer ein Meilenstein in der Rechtsprechung zum Thema “Errichtung von PV-Anlagen”. Das Urteil ist in vielen Belangen bemerkenswert. Es ist wegweisend, und besitzt als Referenzurteil eine enorme Praxisrelevanz. Warum?
- Seit der ersten Fassung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes im Jahre 2000, teilen Stromlobby und Elektro-Innungen den Markt der Erneuerbaren unter sich auf. Mit einem ausgeklügelten Netzwerk aus Gesetzen und Vorschriften wurde ein beinahe undurchdringliches Bollwerk erschaffen, um den Kreis der Profiteure so exklusiv wie möglich zu halten. Mit dem Urteil des Amtsgerichts Passau bekommen die Mauern nun erstmalig sichtbare Risse – das Bollwerk erodiert.
- Die Argumentation der Netzbetreiber basiert im Wesentlichen auf der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) – und insbesondere dem berüchtigten Paragraph 13 – Absatz 2. Hier ein Auszug: “Unzulässige Rückwirkungen der Anlage sind auszuschließen. Um dies zu gewährleisten, dürfen … Arbeiten außer durch den Netzbetreiber nur durch ein in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers eingetragenes Installationsunternehmen durchgeführt werden…”.
- Flankiert wird die Argumentation der Netzbetreiber durch verbandsinterne Regelungen der Elektrobranche – u.a. VDE , sowie Regelungen der Bundes- und Länder-Installateurausschüsse. Beispiel hierfür ist die VDE Anwendungsregel 4105, welche für die Errichtung von EEG-Anlagen per simpler Rückkopplung auf die allmächtige NAV §13 (2) verweist. Oder die Regelungen 137 – 144, in denen die Berufsgruppen eingeschränkt werden, die zur Ausübung der erforderlichen Installationsarbeiten an elektrischen Anlagen “ermächtigt” sind.
- Das Urteil des AG Passau nimmt nun genau dieser Argumentationskette die Grundlage. Es wird eindeutig klargestellt, dass die Regelungen der NAV, sowie verbandsinterner Festlegungen im Widerspruch zum EEG stehen. Das EEG wurde vom Gesetzgeber ganz klar als das führende Gesetz vor NAV und Co. benannt. Das EEG distanziert sich von den lobbyistischen Formulierungen der NAV. Anstatt von einem diktatorischen “Installateurverzeichnis des Netzbetreibers” ist im EEG von einer “fachkundigen dritten Person” die Rede. Sowohl im Urteil als auch in der Stellungnahme der Clearingstelle wird die Argumentation und gängige Praxis durch den Netzbetreiber als diskriminierend gebrandmarkt.
- Das Urteil wirft ein ganz neues Licht auf die Frage, wer zum Anschluss einer EEG-Anlage ans Netz berechtigt – oder vielmehr – wer nicht dazu berechtigt ist. Die Superwaffe der Netzbetreiber – nämlich die unsägliche NAV mit ihrem “Installateurverzeichnis” – ist durch das Urteil quasi zu Makulatur geworden. Um es noch einmal klar herauszustellen: Mitglied des Installateurverzeichnisses zu sein, ist sicher hilfreich zur Klärung der Frage nach der Fachkundigkeit – aber es ist keine notwendige Voraussetzung für den Anschluss einer PV-Anlage.
- Hinzu kommen weitere interessante Fakten und Entwicklungen zur NAV:
- Die NAV mit ihren marktverzerrenden Einschränkungen steht schon lange in der Kritik. Insbesondere fragwürdig ist der Geltungsbereich des §13 (2) – nämlich, dass „Arbeiten (an der elektrischen Anlage) außer durch den Netzbetreiber nur durch ein in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers eingetragenes Installationsunternehmen durchgeführt werden dürfen“. Die diffuse Ausdehnung des Geltungsbereiches des §13 auf die gesamte Haus-Elektrik im Sinne der Einschränkung auf einen exklusiven Kreis von Ermächtigten, geht deutschen Gerichten zu weit.
- So wurde im Urteil vom 13.01.2022 – 6 U 201/20 des LG Frankfurt am Main im Hinblick auf den Geltungsbereich der NAV u.a. folgendes festgestellt (Zeile 51):”… dass in dem Abschnitt zwischen dem elektrischen Hausanschluss und der Messeinrichtung (= Stromzähler) Installationsarbeiten einschließlich Instandhaltungsarbeiten nur durch Fachunternehmen durchgeführt werden dürfen. In dem nachfolgenden Abschnitt zwischen Stromkreisverteiler… und dem zu Steckdosen und Verteilerdosen führenden Leitungsnetz dürfen Instandhaltungsarbeiten auch von Nichtfachleuten ausgeführt werden”. Oder anders ausgedrückt: “Alles was nach dem Stromzähler kommt, liegt nicht mehr im Hoheitsgebiet des Netzbetreibers”.
- Das heißt im Klartext: Gängige Rechtspraxis in Deutschland ist die Einschränkung des Geltungsbereichs der NAV auf den Teil der Anlage bis einschließlich des Stromzählers (Messeinrichtung). Sämtliche nach dem Stromzähler installierte Hauselektrik gehört nicht mehr zum Hoheitsgebiet des Netzbetreibers, sondern ist privatrechtliche Angelegenheit des Hausbesitzers. Oder anders ausgedrückt: Jede Arbeit an der Hauselektrik nach dem Stromzähler darf von einer “fachkundigen dritten Person” durchgeführt werden. Das kann auch der Hausbesitzer selber sein. Oder eben ein fachkundiges Unternehmen, welchen nicht zwingend im Installateurverzeichnis des Netzbetreibers gelistet sein muss.
- Eine interessante Formulierung ist übrigens bereits im §1 der NAV zu finden: In Absatz 1 wird der Geltungsbereich der NAV beschrieben. Hier heißt es: “Diese Verordnung regelt die Allgemeinen Bedingungen … Die Verordnung gilt für alle nach dem 12. Juli 2005 abgeschlossenen Netzanschlussverhältnisse … Sie gilt nicht für den Netzanschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien …”. Obwohl sich die Netzbetreiber in allen Argumentationen zum Thema “Anschluss einer PV-Anlage” auf die NAV beziehen, wird dieser Zusammenhang bereits in §1 der NAV von vornherein ausgeschlossen. Bei näherer Betrachtung des Sachverhalts wird auch klar, warum: Das EEG wurde vom Gesetzgeber als führendes Gesetz zur Reglung aller Belange der Erneuerbaren Energien formuliert und in Kraft gesetzt. Die NAV hat nur nachrangigen Charakter. Zum Thema “Erneuerbare Energien” ist das EEG bindend.
Mehr zum Thema findest du im Beitrag “Rechtslage: genehmigungsfreie Solaranlage“
Hallo Sven,
danke für deinen Post. Die gescannten Originale des Urteils und auch die Stellungnahme der Clearingstelle liegen Solarbringer vor. Aus Datenschutzgründen sind die Dokumente hier nicht veröffentlicht. Solarbringer erhielt erst in diesem Jahr durch Kontakt zum Beklagten Herrn Z Kenntnis von diesem Vorgang. Das Aktenzeichen der Stellungnahme lautet “13/2012/Stn”, was überraschend ist, da es sich offenbar um eine Stellungnahme aus dem Jahr 2012 handelt. Ganz offensichtlich wurde hier großflächig und erfolgreich vertuscht, denn Informationen sind in der Tat weder zum Urteil, noch zur Stellungnahme im Internet zu finden. Um so wichtiger, dass das Urteil nun hier auf der Solarbringer Website der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. Zumal das Corpus Delicti in Form der beteiligten Gesetzestexte weiterhin Gültigkeit besitzen.
Zum berichteten Ärger mit Deinem Netzbetreiber lese ich heraus, dass es keine offizielle Inbetriebnahme gegeben hat – weder durch einem zertifizierten Installateur, noch durch einen nicht-zertifizierten Installateur. Das sehe ich tatsächlich als problematisch, denn der Netzbetreiber hat das Recht auf die offiziell eingeforderte Inbetriebsetzung der Anlage. Das Passauer Urteil besagt ja nur, dass die Inbetriebsetzung lt. EEG durch eine nicht-zertifizierte fachkundige dritte Person stattfinden kann. Ohne Inbetriebsetzung bewegst Du Dich auf dünnem Eis, und der Netzbetreiber könnte Dir im Zweifelsfall tatsächlich den Saft abdrehen.
Es gibt 2 Wege aus dem Dilemma: Die harte Tour über die Gerichte. Oder einen smarten alternativen Weg.
Mein persönlicher Tipp an Dich ist: Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Dienstleistern, deren Geschäftsmodelle genau in diese Lücke zielen – nämlich die offizielle Anmeldung bestehender “Guerilla”-Anlagen. Das funktioniert in der Regel reibungslos und ist vergleichsweise günstig. Gerne kannst Du uns für konkrete Firmenadressen direkt kontaktieren.
Viele Grüße vom Solarbringer
Hallo zusammen,
was mich bei dieser ganzen Sache etwas verwundert, ist die Tatsache, das dieses Urteil und die Stellungnahme der Clearinstelle im Netz nicht zu finden sind.
Ich selbst befinde mich zur Zeit in der Zwickmühle, das mein Netzbetreiber mir die Netztrennung im Mai 2024 angedroht hat, da meine PV Anlagen nicht von einem eingtragenen Installateur fertig gemeldet wurden und ich dies auch nicht vor habe.
Ich selbst bin Elektromeister und bin schon seit 2022 der Auffassung, das die NAV keine Gültigkeit besitzt §1 Abs.1 . Des Weiteren ist im EEG §10 Abs.1 eindeutig die fachkundige dritte Person genannt. Die fachkundige Elektrofachkraft ist in der DGUV Vorschrift 3 in der Durchführungsanweisungen §2 Abs. 3 eindeutig definiert.
Leider interessiert dies meinen Netzbetreiber nicht die Bohne.
Heute habe ich die Clearingstelle eingeschaltet mit dem Verweis auf das Passauer Urteil, lass mich einmal überraschen, ob es dies tatsächlich gibt.